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Beeinflussungsfaktoren
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Copyright: © by Frank Quisinsky
Last changes: June 28th, 2020

 

Seit nunmehr ca. 24 Jahren nutze ich Engines für so genannte "Engine-Engine" Turniere / Ratinglisten. Es gibt einen Hauptgrund, warum ich ausgerechnet diesen Bereich des Computerschachs zu einen meiner Lieblingsthemen erkoren habe.

Lernen durch Zusehen:
Strittig ist, ob die eigene Spielstärke durch diesen Zuseh-Effekt gesteigert werden könnte. Ich vermute schon, allerdings ohne praktische Erfahrungen verbleibt lediglich die Theorie. Spiele ich nach einer längeren Zeit selbst gegen einen menschlichen Gegner oder einer Engine, merke ich schnell, dass sich viele unnötige Flüchtigkeitsfehler einschleichen. Auch spiele ich gegen "Menschen" sehr aggressiv. Vermutlich habe ich mir diese Spielweise durch das Zusehen von Engine-Engine Partien angewöhnt.

Meist ist es so, dass ich verzaubert zusehe und erst später oder auch oftmals "leider" gar nicht, in einer späteren Analyse, verstehe, was von der künstlichen Intelligenz so alles aufs Brett kombiniert wurde. Aufgrund meiner ganzen Experimente bzw. der Beschäftigung mit Schachprogrammen vermute ich dennoch, dass ich insbesondere meine taktische Schlagkraft deutlich verbessern konnte.

Untersuchen wir nun die vielen unsicheren Beeinflussungsfaktoren, die bei der Erstellung einer Ratingliste auftreten, scheint es ein schier unmögliches Unterfangen zu sein, eine Ratingliste zu erstellen. Erforderlich ist eine gute Organisation, denn wer wirft im Verlauf schon gerne ein paar tausend gespielte Partien wieder in den Papierkorb? Aufgrund der vielen Beeinflussungsfaktoren als auch Veränderungen bei den Engines selbst, stellt eine Ratingliste immer nur eine Momentaufnahme dar. Die als _ultimativ_ zu wertenden Elo-Zahlen können durch eine Ratingliste nur bedingt ermittelt werden, später mehr!

Die erste Frage für ein solches Unterfangen sollte sein:
WAS WILL ICH ERREICHEN?

Möchte ich möglichst viele Engines unter möglichst gleichen Voraussetzungen und mit möglichst aussagekräftigen Ergebnissen? Meine Überlegungen zu diesem Themenkomplex versuche ich nachfolgend näher auszuführen.

Direkt ein eingeschobener Hinweis:
Meine Sichtweise auf Ratinglisten hat sich im Verlauf der letzten Jahre deutlich verändert! Ein bekanntlich sehr zeit- und kostenintensives Thema (Strom, Hardware). Eine frisch erstellte Ratingliste ist aufgrund der vielen Engine Updates in kurzer Zeit wieder veraltet. Heute gibt es sicherlich mehr als 1.000 Engine Entwicklungen. Immer weniger Programmierer schauen sich Partien zwecks möglicher Verbesserungen der eigenen Programmentwicklung genauer an. So steht doch heute vielmehr die verwendete Suchtechnik und oder automatisiertes Parametertuning im Vordergrund. Um mehr über Engines mittels Statistik herauszufinden, ist die Engine-Forschung wie eh und je interessant. Gerade beim Mittelspiel gibt es noch viel zu erforschen. Ratinglisten sind eher als ABM-Maßnahmen zu werten, wenn es darum geht, _lediglich_ die reine Spielstärke in Elo zu messen. Warum? Der Durchschnitt der TOP-40 Engines dieser Welt liegt _wahrscheinlich_ um 200 Elo über der derzeit maximal erreichten menschlichen Spielstärke vom Weltmeister Magnus Carlsen. Dies bei der Nutzung von nur einem Core auf einem handelsüblichen Intel oder AMD-System. Der Aufwand solcher Spielstärkemessungen erscheint aus menschlicher Sicht zunächst sinnentfremdet. Was wir unter der Zuhilfenahme von einfachen Statistiken herausfinden werden, nehmen wir dennoch gerne zur Kenntnis.

Persönlich empfinde ich heute Themen wie:
Die logische Herabsetzung der Engine Spielstärke unter Beibehaltung menschlich interessanter Eigenschaften / Spielstile für erhellender. Es wäre z. B. interessant, den Spielstil von Weltmeister Michail Tal zu klonen und dafür modernes KI einzusetzen. Es wäre ferner interessant, die heute erreichte Engine Spielstärke besser zu nutzen. Hierbei könnte die für "Menschen" interessante Mittelspielphase sehr aufregend gestaltet werden.

Für die Programmentwicklung von Wasp nutze ich die Möglichkeit Engine-Turniere zu organisieren oder Spießroutenläufe durchzuführen. Schon allein um herauszufinden, gegen welche Gegner ich zum Zwecke der Weiterentwicklung testen sollte. Es gibt nach wie vor Gründe sich mit der Engine-Forschung zu beschäftigen.

Eine Ratingliste kann heute jeder mit ein wenig Fleißarbeit erstellen und stellt im Grunde nichts Besonderes mehr dar! Wer in Kombination seinen Forscherdrang befriedigen möchte wird immer Gefallen an dem Themenkomplex Ratingliste / Engine-Turnier finden.

 

Unsichere Beeinflussungsfaktoren:
Eine ganze Reihe unterschiedlicher Faktoren bereitet uns Kopfzerbrechen? Stimmen die eigenen Resultate und warum kommt es oftmals zu gravierenden Abweichungen zu Testergebnisse anderer Computerschächler? Das Auge des Betrachters sollte ein wenig geschult werden, nicht zuletzt, um die Erwartungshaltung bei Engines, meist favorisierten Engines, einzugrenzen. Aufgrund vieler Diskussionen in Computerschachforen vermute ich, dass viele Schachfreunde zu sehr an ihren eigenen Ergebnissen glauben. Ein Blick nach links, rechts wird meist nur deshalb durchgeführt, um Engine Updates nicht zu verpassen. Sinnvoller wäre es vielleicht die Gründe für abweichende Testergebnisse zu hinterfragen, um selbst einen Nutzen aus den Informationen zu ziehen. Auch war es noch nie möglich interessierte Computerschächler, in Fragen der Engine-Forschung, unter einen Hut zu bringen. Jeder kocht nur zu gerne sein eigenes Süppchen. Das ist schade, aber grundsätzlich gilt natürlich, dass der eigene Spaßfaktor _immer_ im Vordergrund stehen sollte, aus einem Unterfangen eine Ratingliste zu erstellen kein Stressfaktor werden sollte und ruhig auch die Erfahrungswerte anderer Schachfreunde studiert werden können. Wer das berücksichtigt, wird noch mehr Gefallen an diesem Themenkomplex finden ohne sich direkt in die Welt der Stiere in "www-Zeiten" wie heute zu beamen.

 

1. Spielstufe / Bedenkzeit, Hardware / Prozessoren

Die Spielstufe / Bedenkzeit steht in Abhängigkeit zum gewünschten zeitlichen Rahmen und auch der zur Verfügung stehenden Hardware. Wie viel Zeit möchten Sie ihrer Ratingliste oder einem Engine-Turnier gönnen? Möchten Sie möglichst viele Engines ein picken, sollte die Zeit "vielleicht" heruntergefahren werden, wenn aussagekräftige Ergebnisse Ihre Zielsetzung sind. Schon dieser Punkt sorgte in der Vergangenheit für heftige Diskussionen. Verfechter "längerer Bedenkzeit" verurteilen die Bemühungen der Verfechter "kürzerer Bedenkzeit". Diese ganze Fechterei erinnert an die drei Musketiere (lange, mittlere und kürzere Bedenkzeit). Aber auch die drei Musketiere waren nur zusammen stark und mithin sollten wir uns zunächst mal genau das in unser Hirn brennen. Eine Wahrheit bei der Beantwortung der Frage zu der gewählten Bedenkzeit gibt es nicht, zumal nur sehr wenige Engines bei mehr oder weniger Bedenkzeit im direkten Vergleich zu anderen Engines auch unterschiedliche Ergebnisse produzieren.

Allerdings vertrete ich die Auffassung, dass die Turnierbedenkzeit (40 Züge in 120 Minuten oder 40 Züge in 150 Minuten) im Computerschach nicht die Königsdisziplin stellt. "Computerschach", die künstliche Intelligenz, kommt mit ganz anderen Bewertungsmaßstäben daher als im direkten Vergleich "menschliches" Schach. In Abhängigkeit zur Hardware, stellt die Turnierbedenkzeit vor ca. 25 Jahren heute nur ein Blitzlevel (Vergleich: Intel 80486 Prozessor aus den Jahren 1989 - 1995 zu einem heutigen 10th Generation Intel® Core™ i9-10900K) dar.

Zu bedenken ist auch, dass aufgrund der Kompilierungen von Schachprogrammen, unterschiedliche Prozessortypen für abweichende Ergebnisse sorgen könnten. Es gibt Engines, wo diese Vermutungen zumindest nahe liegen. Als Beispiel bietet sich Zappa an. Wie groß diese Unterschiede sind, ist natürlich auch wieder abhängig von den sonstigen Beeinflussungsfaktoren. Eine endgültige Klärung, bei den vielen unterschiedlichen Test-Methoden, ist daher so gut wie ausgeschlossen. "Unsere Programmierer" werden schon wissen, wie ihre Babys kompiliert werden, bzw. sollte dieser Umstand als gegeben und mithin kaum als diskussionsreif dargestellt werden. Die Prozessor Befehlssätze (BMI2, AVX, POPCMT, SSE etc..) sind in letzten Jahren zu einem ergänzenden Thema geworden.

Vorteile: Bei meinen ehemaligen SWCR-2 oder FCP Ratingliste spielten die besten zur Verfügung stehenden Programmen gegeneinander. Jede Engine absolvierte 50 Partien gegen jede andere Engine. Ferner versuchte ich möglichst viele unterschiedliche Engines einzusetzen. Das ist aufgrund der "Clone-Problematik" schon eine echte Aufgabe herauszufinden, ob sich Engines wirklich unterscheiden. Bei 40 Züge in 10 Minuten konnte ich zuletzt bei der FCP Ratingliste den Partien schön folgen. Verzweifeln Sie nicht, wenn viele interessante Zugfolgen nicht verstanden werden. Es macht Spaß diese im Anschluss an einer Partie oder bei Zeitbedarf unklare Zugfolgen näher zu analysieren.

Nachteile: Der Lerneffekt durch zu schnelle Bedenkzeit bei dem erreichten sehr hohen Level der Engines lässt nach. Die durchschnittliche Spielstärke der 41 weltbesten Engines liegt ca. 1250 Elo über die eines starken Vereinsspielers, der vielleicht auf eine Leistung von 1800 Elo kommt. Je weniger Zeit desto mehr sich bildende Fragezeichen beim Zusehen von Engine-Engine Matches. Bei vielen Ratinglisten geht es gar nicht mehr um das Partiematerial selbst, eher um möglich schnell eine Elo zu fabrizieren. Der Sinn einer solchen Testserie liegt meist verborgen in der Kombination der eigentlichen Hobby-Ausübung, denn viele Interessen prallen aufeinander. Wie z. B. sich generell mit Computer, Statistik und gleichzeitig Schach zu beschäftigen!

 

2. Verwendete Benutzeroberfläche (GUI)

Es gibt eine Reihe von Benutzeroberflächen, die sich für Engine-Engine Turniere oder Ratinglisten sehr gut eignen. Natürlich gibt es Vor- und Nachteile zwischen den Benutzeroberflächen, aber daraus wird heute keine Glaubensfrage mehr konstruiert. Im Laufe der Jahre wurden die Benutzeroberflächen kontinuierlich verbessert, so dass viele Kinderkrankheiten praktisch verschwunden sind. Ich habe selbst viele Jahre zusammen mit Martin Blume in die Entwicklung der Arena GUI gesteckt oder auch Tim Mann (Winboard) mit Informationen versorgt.

 

3. Eröffnungsbücher

Die Gefahr ist groß, andere Personen bei diesem Themenkomplex auf die Füße zu treten. Insofern versuche ich vorsichtig meine Überlegungen niederzuschreiben. Bei Eröffnungsbüchern müssen wir zunächst den Sinn des Einsatzes hinterfragen. Steht z. B. ein wichtiges offizielles Turnier an, wird fast jeder Programmierer oder Eröffnungsbuch-Autor versuchen, Elo-Pünktchen mittels Manipulation durch Tuning heraus zu kitzeln. Auf diesem Gebiet haben sich einige Experten in der Szene herauskristallisiert. Auch bei einem längeren Engine Match, spielt ein gutes Buch und auch Book-Learning eine wesentliche Rolle. Insofern wird einem getunten Eröffnungsbuch und auch Book-Learning zu Recht und ohne Frage eine besondere Bedeutung zugewiesen. Wie schaut es bei Engine-Turnieren oder bei der Erstellung einer Ratingliste aus? Dürfen Bücher Einflüsse im direkten Vergleich zu sämtlicher Engine-Konkurrenz ausüben? Dürfen wir bei einer Bewertung einer Engine den Datenbankeinflüssen überhaupt eine so große Aufmerksamkeit widmen? Wirkt sich Book-Learning positiv aus, wenn direkt 21 Programme gegeneinander spielen? Eine Eröffnung, die gegen Engine A buchstäblich in die Hose gegangen ist, kann gegen Engine B zu einem Erfolg führen! Durch Book-Learning wird diese Eröffnungsvariante aber oftmals gar nicht mehr ausgespielt. Es gibt Engine Programmierer, die sich sehr viel Arbeit bei der Erstellung eines Eröffnungsbuch machen, andere bedienen sich einfacher Datenbanksammlungen aus Großmeisterpartien. Viele User setzen auch speziell ausgesuchte Stellungen (Nunn Test) ein, um weitestgehend Bucheinflüsse bei Turnieren oder Ratinglisten zu vermeiden. Beliebt sind auch sehr kleine breite Bücher, die nicht in die Tiefe der Eröffnungstheorie gehen. Viele Anhänger der immer beliebteren Chess960 Variante spielen nur deswegen gerne Chess960, weil sie der Eröffnungstheorie überdrüssig sind. Es gibt Anwender, die versuchen gar die komplette Eröffnungstheorie zu umgehen. Schon nach diesen wenigen Worten werden Sie bemerken, dass dieses Thema wirklich sehr komplex ist und zunächst eine Lösung für einen gesunden Mittelweg, gerade für Ratinglisten-Ersteller, zumindest schwierig erscheint. Versuchen wir dieses ganze Durcheinander im Hinblick auf die Erstellung einer Ratingliste zusammenzufassen:

a. Book-Learning kann sowohl negativ als auch positiv manipulierend wirken!
b. Eröffnungsbücher könnten getunt sein und gegen nicht getunte Engines negative Auswirkungen haben.
c. immer wieder kehrende Positionen, wie z. B. der Nunn-Test, führen zur Langeweile und Einseitigkeit.
d. Viele Engines spielen stur die nach eigener Ausspielwahrscheinlichkeit besten Varianten. Dies führt zu doppelten oder zumindest weitläufig doppelten Partien sofern verwendete Bücher nicht über ausreichend Varianten verfügen.
e. Bücher, durch die Eröffnungssysteme nur angespielt werden, lassen Engines oftmals merkwürdige Fortsetzungen spielen. Eröffnungssysteme werden nicht verstanden und unnötige Kurzpartien sind die Folge. Die französische. Eröffnung wird immer gerne als Paradebeispiel herangezogen. Viele Buchautoren vermieden für Computerschachprogramme z. B. die französische Eröffnung oder viele Varianten der holländischen Eröffnung. Vorteilhaft ist allerdings immer, wenn solche Schwächen erkannt werden und Programmierer sich auf die Suche nach Verbesserungen begeben könnte.
f. GUI-Einheitsbücher werden unter Umständen gesteuert von Ausspielpräferenzen. Jeder von uns könnte aber zu Ausspielpräferenzen eine stark unterschiedliche Meinung haben.
g. Ein getuntes Buch für Version 1.0 von Engine X könnte bei Version 2.0 der gleichen Engine einen negativen Effekt zeigen und erst recht bei Verwendung von Turnieren oder Ratinglisten an dem mehrere Engines beteiligt sind.

Letztendlich stand zu Recht immer die Vermutung im Raum, dass selbst die besten verfügbaren Engines, bei der Eröffnungswahl und den eigentlichen Ideen, die dahinter verborgen sind, Großmeistern unterlegen sind. Es gilt heute im Jahr 2020 als eher wahrscheinlich, dass aufgrund der stark angestiegenen Spielstärken unserer Engines, diese vielleicht letzte Dominanz unserer geliebten Großmeister nun auch "teilweise" umgestoßen wurde. Bei Gesprächen mit Großmeistern hörte ich immer wieder den Kommentar: Wenn durch gut bekannte Eröffnungsideen kein leichter Vorteil errungen werden kann, ist die Chance auf ein Remis nicht mehr wahrscheinlich.

 

4. Endspieldatenbanken (Nalimov Table-Bases, Shredderbases, Gaviotabases, Syzygybases)

Bei den Nalimov Table-Bases (Endspieldatenbanken) handelt es sich um einfache Datenbankabfragen, zu möglichen Endspielstellungen, bei wenigen Figuren (3-7 Steiner). Bereits in der Suche erreichen Schachprogramme durch Schlagzugkombinationen die 5-Steiner Table-Bases, sogar wenn 15 oder leicht mehr Figuren auf dem Brett verbleiben. Engines greifen mal mehr oder weniger aggressiv auf diese Datenbanken zu. Je aggressiver die Datenbankabfragen, desto eher erfolgen die ersten Zugriffe. Bei den Table-Bases werden oftmals mehrere ineinandergreifende Datenbanken abgefragt. Die 4-Steiner oder 5-Steiner Table-Bases sollten demnach stets komplett sein, schon allein um nicht reproduzierbare Partien zu vermeiden.

Die kompletten 4-Steiner Nalimov Table-Bases nehmen ca. 30 MB Festplattenspeicher in Anspruch (70 Dateien).
Die kompletten 5-Steiner Nalimov Table-Bases nehmen ca. 7.402 MB Festplattenspeicher in Anspruch (292 Dateien).
Auch die 6-Steiner liegen schon komplett vor, etliche 7-Steiner werden auch schon angeboten.

 

Table-Bases sind speicherhungrig!

Beispiel zu den 5-Steinern:

 21 MB für die Entkompremierung der 5-Steiner Table-Bases für Engine A
 21 MB für die Entkompremierung der 5-Steiner Table-Bases für Engine B
 32 MB Cash für die Table-Bases für Engine A
 32 MB Cash für die Table-Bases für Engine B
------
106 MB notwendiger RAM

 

Insbesondere eignen sich die Table-Bases für Analysen, aber eignen sich die Datenbanken auch für Engine-Engine Turniere oder zur Erstellung einer Engine Ratingliste? Diese Frage löste in Computerschachforen schon öfters heftigste Diskussionen aus. Die verbreitete Annahme, dass sich die 5-Steiner positiv auf die Spielstärke einer unterstützenden Engine auswirken ist äußerst fragwürdig und meines Erachtens FALSCH. Wir sehen oftmals durch Table-Bases enorm hohe Mattankündigungen, sind daher schier begeistert. Die Nachteile ruhen in einer für uns kaum sichtbaren Dimension?!

Ein Versuch den Umstand zu erläutern:
Computerschachpartien werden durchschnittlich nach 86 Zügen bei ca. 3000 durchschnittlicher Elo entschieden (bis zur Endstellung Matt / Remis; Je nach durchschnittlicher Spielstärke der verwendeten Engines und unter Beachtung das je höher der Elo-Durchschnitt, desto länger dauern die Partien). Meines Erachtens lag der große Schwachpunkt bei Schachprogrammen in der Vergangenheit im frühen Übergang zum Endspiel. Gerade in dieser Partiephase wurde in den letzten Jahren die größten Fortschritte erzielt. Endspielwissen wird heute im Jahr 2020 brutal errechnet. Mittelspielwissen stellt nach wie vor die wirkliche Herausforderung dar! Seinerzeit war das Paradebeispiel Ktulu von Rahman Paidar (Iran). Ktulu verzichtet komplett auf Endspieldatenbanken. Aufgrund einer effizienten Suche kann das Problem (wenig Endspielwissen) zumindest eingeschränkt werden. Der Programmierer von Ktulu konzentrierte sich dann bei seiner Entwicklung immer mehr auf spezielles Endspielwissen (Turmendspiele) und hatte sehr viel Spaß daran. Endspielschwächere Programme können mit der einfachen rohen Rechengewalt Gewinn- bzw. Remis bringende Wendungen selbst errechnen. Schon nach den ersten Zugriffen, auf 5-Steiner Endspieldatenbanken, nimmt die Prozessorleistung einer Engine um runde 70% ab. Die ersten Zugriffe sind je nach Aggressivität, früher oder später, im Grunde "leider" überwiegend zu früh sichtbar. Dem Vorteil einer gesicherten Datenbankabfrage steht die Prozessorbremse als Nachteil gegenüber. Bei genauer Betrachtungsweise erst recht, denn wir wissen das Programme im Übergang zum Endspiel an Spielstärke verlieren. Eine aggressive Table-Base nutzende Engine kann durch die beschriebene Prozessorbremse, bei in der Regel begrenztem Endspielwissen, Leistung verlieren. Erst recht dann, wenn eine effiziente Suche, also die rohe Rechengewalt, stark gemindert wird. Dieser Nachteil überwiegt dem doch _so sicher_ vermuteten Vorteil. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass in ca. 95% aller Fälle eine Engine durch Table-Bases nicht zwingend besser punktet. Die erspielten Vorteile sind in der Partiephase meist schon längst vorhanden und durch Table-Bases wird uns lediglich ein schnelleres und vor allem saubereres Ergebnis präsentiert. In vielleicht 5% aller Fälle wirken sich die Table-Base Ergebnis steigernd aus, wenn die andere Engines nicht auch auf Table-Bases zugreifen kann.

Eine Verdoppelung der Geschwindigkeit auf heutiger Standard-Hardware bringt ca. 40-60 Elo. Ziehen wir Eröffnungsbuchzüge und klare Endspielzüge bei 6 oder weniger Figuren auf dem Brett ab (4-Steiner reichen aus, später mehr), haben wir bei einer durchschnittlichen Partielänge von 86 Zügen = ca. 50-55 Züge, die von einer Engine berechnet werden. Von diesen 50-55 Zügen sind sicherlich ca. 15 klare Züge (Schlagzüge, erzwungene Züge etc..). Verbleiben 35-40 Züge, die verschiedene Engines natürlich auch verschieden bewerten. Wenn 35-40 Züge durch eine Verdoppelung der Hardware für 40-60 Elo sorgt, wie groß wäre der Einfluss bei der Prozessorbremse von 100 auf 30% für vielleicht 5-8 Züge aufgrund ins Nirwana laufenden Table-Base Zugriffen, bei in etwa 15 Figuren auf dem Brett? Immer mit dem Hintergedanken, dass die meisten Partien erst nach ca. 50-60 Zügen entschieden werden und Table-Base Zugriffe vermeldet werden. Die Prozessorbremse kann ca. für 15 Elo sorgen. Und das alles für ca. 10 Elo mehr, durch Punkte, die durch Table-Bases eingefahren werden? Bei dem endspielschwächeren Programm AnMon kam ich bei einem Experiment gar zu dem Ergebnis, dass runde 25 Elo durch 5-Steiner Table-Bases verloren wurden. Je nach Aggressivität bei Table-Base Zugriffen, kann sich dann doch alles noch die Waage halten. Fruit greift z. B. erst in der Grundeinstellung auf die 5-Steiner zu, wenn noch 8 Steine auf dem Brett sind (sehr vernünftig). In diesem Fall könnten die Table-Bases minimal etwas bringen!

Ein anderer Tatbestand der nicht zu unterschätzen ist:
Unsere Rechner laufen bei der Erstellung einer Ratingliste meist 24 Stunden täglich. Bei 5-Steiner Table-Base Zugriffen können wir uns sicher sein, dass es zu durchschnittlich 500 - 4.000 Festplattenzugriffen in der Sekunde kommt. Festplatten sind zwar nicht mehr so kostspielig aber mit Gewalt sollten wir keinen Verschleiß provozieren. Eine Neu-Installation kann ferner sehr zeitaufwendig und vor allem teuer werden. Sie können die Nalimov Table-Bases etc. auch auf einen USB-Stick kopieren. Das ist sehr sinnvoll, um die vielen unnötigen Festplattenzugriffe zu vermeiden. Heute behelfen wir uns mit schnellen SSD Festplatten und grenzen dieses Problem ein.

Meine Ratinglisten / Turniere:
Ich mache es mir sehr einfach und verzichte auf 5-Steiner Table-Bases. Die 4-Steiner reichen allein deswegen aus, um Partien zu verkürzen (Zeitersparnis durch klare Remis- oder gewinnbringende Fortsetzungen) und fehlendes Endspielwissen nur in klaren Fällen zu kompensieren. Zum Beispiel das Endspiel: König / Dame gegen König / Turm. Ich vermute, nach meinen heutigen Erkenntnissen, dass zumindest die 4-Steiner für maximal 10 Elo mehr sorgen. Die 5-Steiner für eine Verringerung der Spielstärke um ca. 5-10 Elo zur Verantwortung gezogen werden können. Allerdings lasse ich bis zum Matt spielen und deaktiviere die Aufgabefaktoren der Engines bzw. auch mögliche Einstellungen der jeweiligen Benutzeroberflächen (GUIs). Die Endspieldatenbanken, das Betriebssystem und die Engines selbst liegen auf einer schnellen SSD HD. Dies verringert wie gesagt die Zugriffszeiten deutlich bzw. werden auf fast Faktor 0 heruntergefahren.

Heute sind schnelle SSD Festplatten nicht mehr wegzudenken.

Nalimov Table-Bases / Shredderbases / Gaviotabases / Syzygybases
Sofern Engines eigene Entwicklungen von Endspieldatenbanken anbieten, setzte ich diese natürlich auch ein (Shredderbases). Was unterstützt wird, kommt bei meinen Ratinglisten mithin zum Einsatz (Nalimov Table-Bases oder die neueren Gaviotabases oder syzygybases). Die syzygybases haben sich heute als Standard herauskristallisiert.

Zusatz, erstellt am 13.09.2010:
Aufgrund schneller Speichermedien (z. B. USB-Sticks) kommt es nicht mehr zu dieser beschriebenen Prozessorbremse. Meine Ausführungen zu diesem Thema basieren noch auf ältere Berichte, die vor teilweise vor 20 Jahren fertigte. Selbst benutze ich heute auch schnelle SSD Festplatten. Dennoch werden Systeme immer noch ohne SSD Festplatten angeboten und von daher möchte ich die Hinweise aus dieser Datei nicht löschen.

Zusatz, erstellt am 26.06.2020:
Nach wie vor nutze ich 4-Steiner Endspieldatenbanken, um wie beschrieben, Partien zu verkürzen bzw. lange Endspielschleifen zu vermeiden. Dies allein um den Züge Durchschnitt der Partien ohne Aufgabefaktor geringer zu halten. Datenbankabfragen von 5-Steinern oder 6-Steinern greifen mir für die Messung einer Engine-Spielstärke zu sehr in die eigentlich maßgebliche programmiertechnische Leistung des Programmierers ein. Jegliche unnötige Datenbankabfragen (Eröffnungsbücher mit zu langen Varianten, Endspieldatenbanken größer als 4-Steiner) beeinflussen die tatsächliche Messung der Spielstärke einer Engine. Mein Ziel ist es immer gewesen die "Nackte" Spielstärke einer Engine zu messen. Zwecks Chancengleichheit sollten Einflüsse von Datenbankabfragen für Messungen bei direkten Vergleichen vermieden werden.

 

5. Hash-Tables / Permanent Brain (ponder)

Grundsätzlich gilt zum Thema Hash-Tables die folgende These:
Der Hash-Füllungsgrad, bei der durchschnittlich verwendeten Bedenkzeit, sollte bei der gefräßigsten Engine in einem Turnier 50% betragen. Beträgt die durchschnittliche Bedenkzeit 30 Sekunden, sollte nach 30 Sekunden, in einer Endspielstellung, der Füllungsgrad bei 50% liegen. Schachprogramme nehmen sich mal mehr mal weniger Zeit und es könnte sein, dass bei der durchschnittlichen Bedenkzeit von 30 Sekunden für einen Zug 60 oder mehr Sekunden verwendet wird. Hashtabellen wirken sich erst im Endspiel Elo steigernd aus. Es ist immer besser eher zu viel als zu wenig Hashtabellen zu geben. Das Engines durch zu große Hashtabellen benachteiligt werden, konnte ich nie feststellen (allerdings sollte das nicht übertrieben werden)! Diese Aussage mag vielleicht in sehr wenigen Ausnahmefällen zutreffen aber selbst dann kaum zu relevanten Abweichungen ermittelter Elo-Zahlen führen. Sehr gerne bezeichnen wir Hashtabellen auch als "kleines Permanent Brain".

Hinweis:
Durch Hashtabellen werden berechnete Züge im zur Verfügung gestellten RAM gehalten. Engines können beim nächsten Zug auf diese Berechnungen zurückgreifen und ersparen sich unnötige Rechenzeit.

Berechnet eine Engine den nächsten Zug, während der Gegner selbst am Zug ist (in der Annahme das der Gegner, die selbst berechnete beste Zugfolge wirklich ausspielt), sprechen wir von Permanent Brain oder einfach "Ponder". Ponder=on ist der Regelfall in einem Engine-Engine Match auf zwei Systemen, z. B. bei einem offiziellen Wettkampf, wie einer Computerschach-Weltmeisterschaft, Autoplayer Partien. Auf einem Ein Prozessor-System führt Ponder=on zu einer Teilung des Prozessors. Ponder-Treffer gibt es in durchschnittlich ca. 25-35% der Züge einer Schachpartie zweier in etwa gleichstarker Engines, sofern Züge durch Datenbankeinflüsse (Eröffnungsbuch) bei dieser Betrachtung außen vor bleiben. Bei durchschnittlich "nur" 25-35% Ponder-Treffer führt die Teilung des Prozessors (50%-50%) zunächst mal zu einer Verlangsamung der Engine-Leistung. Eine einfache Aussage, wenn es bei 50%-50% nur zu 25-35% Ponder-Treffern kommt. Turniere mit Ponder=on auf einem Ein Prozessor-System machen keinen Sinn. Die meisten User von Schachprogrammen spielen ihre Engine-Engine Partien / Turniere ohne Ponder, offenbar mit dem Hintergedanken mehr Partien zu produzieren. Notwendig ist das in Zeiten von Mehrprozessor-Systemen allerdings nicht mehr. Ob heute Engines wirklich und wesentlich vom Pondern beeinflusst werden bleibt fraglich. Auf Anhieb fällt mir die Engine King of Kings ein. Der wesentliche Vorteil für den Beobachter von Eng-Eng Partien bei Ponder=on ist unzweifelhaft, dass die GUI zwei laufende Analysen gleichzeitig anzeigt (1 eigener Prozessor / Core für jede Engine). Das Beobachten von solchen Ponder=on Partien ist nicht nur viel spannender, sondern wir können in zwei stetig mitlaufenden Analyseprozessen Einblick nehmen. Es macht also Sinn Engines bei Ponder = on gegeneinander antreten zu lassen aber in diesem Fall sollte die Bedenkzeit höher eingestellt werden. Für solche Partien nutze ich z. B. gerne die Zeitkontrollen 40 Züge in 20 oder 40 Züge in 40 Minuten. Andernfalls habe ich Probleme zwei mitlaufende Engines-Analysen zu folgen.

Ponder=Off Partien erscheinen zunächst realitätsfremd, denn der Mensch schaltet auch nicht sein Gehirn ab, wenn der Gegner am Zug ist. Bei überschaubaren Pondertreffern gilt Ponder=on heute eher als Ressourcenverschwendung. Computerschach und menschliches Schach war von je her nie vergleichbar. Für die Messung der Spielstärke sind Ponder=Off Partien besser geeignet um wie beschrieben nicht unnötige Ressourcen im Raum verpuffen zu lassen. Strom ist teuer geworden!!

 


Zusammenfassend:

Die Auswirkungen bewerte ich mit 1-5 Sternen.
Je mehr Sterne, desto höher der Beeinflussungsfaktor.

01. Bedenkzeit
Bei der heutigen Hardware ist es fast egal ob Sie kurze oder mittlere Bedenkzeit einsetzen. Die Ergebnisse werden nur geringfügig voneinander abweichen (Annahme bei gleicher Anzahl der Gegner und sonstigen gleichen Voraussetzungen). Wählen Sie eine Bedenkzeit, bei der Sie noch folgen können. Bei Partie in x Minuten oder den Fischer Zeitkontrollen wird teilweise das Zeitmanagement diverser Engines nicht optimal genutzt. Das kann Auswirkungen haben allerdings fallen diese eher sehr gering aus. Fällt mal auf das eine Engine bei einer Zeitkontrolle fehlerhaft spielt wird eh der Programmierer über kurz oder lang einen Hinweis von der Community erhalten.

Heute vertrete ich gar die Meinung, dass sich Fischer Zeitkontrollen durchaus gut eignen. Partien werden heute eher im Übergang zum Endspiel, als im Endspiel selbst entschieden. Eine Zeitkontrolle von z. B. 40 Züge in 10 Minuten immer wieder nach weiteren 10 Minuten um 40 Züge hochzusetzen verlangsamt zeitlich das Endspiel unnötig.

Auswirkung: **

02. Eröffnungsbücher / Vorgabestellungen
Setzen Sie vernünftige Eröffnungsbücher für Engine-Engine Turniere oder Ratinglisten ein. Nutzen Sie für alle Engines das gleiche Buch, denn Sie wollen ja etwas vergleichen, ohne zu bevorzugen. Der ganze Buchkomplex wird keine unnötigen Bevorteilungen bewirken, wenn ausgereifte und vor allem fehlerfreie Eröffnungsbücher eingesetzt werden. Mit verwendeten Vorgabestellungen werden Sie vergleichbare Ergebnisse erzielen. Allerdings ist es deutlich spannender, ein möglich breites nicht zu tiefes Eröffnungsbuch einsetzen. Für diesen Zweck habe ich zusammen mit Klaus Wlotzka FEOBOS entwickelt. FEOBOS spielt die bekannten und ausgeglichenen Vorgabestellungen zu allen 500 ECO Codes, 3 Züge nach ECO Code Ende, an. Hierbei wird die GM Theorie der letzten 10-Jahre simuliert.

FEOBOS Project (die kompletten Entwicklungsdaten sind frei verfügbar).
docu.pdf, 4,45Mb (Dokumentation in deutscher Sprache).

Nach ca. 4 Jahren Entwicklungszeit ist für mich ist das Thema Eröffnungsbücher durch FEOBOS abgeschlossen, da ich kein Verbesserungspotential zum Zwecke der Engine-Forschung mehr erkennen kann. Durch fehlerhafte Eröffnungsbücher oder Bücher, die mit zu hohen Vorteilen entlassen kann keine korrekte Messung der Spielstärke erfolgen. Achten Sie daher unbedingt auf möglichst ausgeglichene Vorgaben! Die Endstellungen von FEOBOS wurden zwar von 12 Engines analysiert und mithin gilt das Buch als 99,9% fehlerfrei, aber dennoch ist FEOBOS nicht das Maß aller Dinge. Eher eine Variante die sich zu diesem komplexen Thema absolut bewährt hat.

Auswirkung: ***

03. Endspieldatenbanken
Eine Alternative wäre es gänzlich auf Endspieldatenbanken zu verzichten oder wenn vorhanden die GUI Option "GUI nutzt Endspieldatenbanken" einzuschalten.

Auswirkung: *

04. Hash-Tables
Stellen Sie die Hash-Tables auf keinem Fall zu niedrig ein. Bei 40 Züge in 5 Minuten reichen 256Mb, bei 40 Züge in 10 Minuten reichen 512Mb, bei 40 Züge in 20 Minuten reichen 1.024Mb (auf aktueller 10th Generation Intel® Core™ i9-10900K). Sofern die Hash-Tables nicht zu niedrig eingestellt werden (darauf sollten Sie wirklich achten) ist im Grunde "fast" ausschließlich das Endspiel / der Übergang zum Endspiel betroffen. Die "vermutlich" besseren Züge werden schneller gefunden.

Auswirkung: **

05. Permanent Brain (Ponder) on/off
Sie werden völlig andere Partien bei Ponder=On sehen, allerdings wirkt sich das nicht zu beeinflussend auf Statistiken aus. Dennoch vermute ich, dass einige Engines zumindest minimal von Ponder = On profitieren. Logischerweise die Engines, die in der Lage sind mit mehr Zeit an Spielstärke deutlicher zu gewinnen als Andere (das festzustellen ist wieder ein anderes Thema). Bei einer Flasche Wein lasse ich favorisierte Engines gerne bei längerer Bedenkezeit mit Ponder=on spielen. Zum Zwecke der Engine-Forschung nutze ich heute ausschließlich Ponder=off.

Auswirkung: * (oder ***** wenn Sie intensiver beobachten möchten).

06. Gleiche Anzahl von Partien / viele unterschiedlichen Gegner
Um ein genaues Rating zu ermitteln, benötigen Sie viele unterschiedlich spielende Engines. Diese sollten möglichst die gleiche Anzahl von Partien gegeneinander spielen.

Interessant ist folgender Umstand:
Eine Ratingliste basiert auf 11 Engines. Jede Engine spielte 100 Partien gegen jede andere Engine, also 1.000 Partien pro Engine. Ist für eine Engine ein Angstgegner dabei, wird trotz der vielen Partien ein Rating um einen größeren Elo-Wert abweichen als bei einer anderen Ratingliste, in der z. B. 21 Engines 50 Partien gegeneinander spielen. Die Ratingliste mit 21 Teilnehmern produziert mithin die genaueren Ergebnisse. Selbst eine Ratingliste, in der wenige Engines dann z. B. 2.000 oder mehr Partien gespielt haben, bleibt ungenauer im Vergleich zu einer Ratingliste, die mehr Gegner aufweist. Je mehr Gegner desto höher die Aussagekraft des Ratings und desto weniger Partien werden notwendig sein. Natürlich nur dann, wenn Sie eine ermittelte Elo als ultimativ betrachten möchten und nur dann, wenn die Gegner wirklich unterschiedlich sind. Beobachter von Ratinglisten sehen Ratings nur zu gerne als ultimativ an. Leider führt das immer wieder zu einem Irrglauben?! Wenn ein Rating gegen 12 Gegner ermittelt wurde, können 12 andere Gegner für eine völlig anderes Rating sorgen. Um daher _sinnentfremdet_ ein Rating als ultimativ zu werten, sollten zumindest viele unterschiedliche Gegner eingesetzt werden.

Auswirkung: **** (schwieriges Thema)

07. Aufgabefaktor
Sofern sie Aufgabefaktoren (GUI oder Engine) nutzen, werden die Partien natürlich früher enden. Letztendlich sparen Sie Zeit und können mehr Partien produzieren. Partien werden nur selten zu Unrecht abgebrochen. Wenn z. B. zwei Engines gegeneinander spielen, und sich bei der Konstellation KLB - K (falscher Läufer und Randbauer) bei +6 im Vorteil fühlen, die GUI mit Gewinn abbricht, ist das natürlich dumm, aber statistisch bei vielen Partien nicht relevant. Es gibt weitere mögliche Konstellationen. Dennoch kommen solche Fallgestaltungen im Verhältnis eher selten vor. Wird ohne Aufgabefaktor gespielt führen mögliche statistische Auswertungen der Ergebnisse zu interessanten Erkenntnissen (Thema: Statistikerstellung).

Für mich ist z. B. die nackte Elo nicht interessant. Ich versuche eher mittels Statistiken mehr über Engines und deren Spielstile in Erfahrungen zu bringen. Durch Aufgabefaktor=off ergeben sich mehr Kombinationen für mögliche statistische Auswertungen. Mich reizt dieses Thema sehr, weil ich es für spannend halte. Eine blanke Elo verrät mir keine Geheimnisse. Persönlich freue ich mich sehr, wenn ich zum Zwecke der Engine-Forschung etwas herausfinden kann. Spielstile und Engine-Forschung sind das eigentliche Salz in der Suppe.

Auswirkung: * (oder ***** wenn Sie etwas herausfinden möchten)

08. w32 (32-Bit) oder x64 (64-Bit) und die Prozessor-Befehlssätze!
Heute werden w32 Engines kaum noch angeboten bzw. getestet, x64 ist schon lange der Standard. Interessanter sind heute eher die Befehlssätze, wie zum Beispiel: PEXT, BMI2, AVX2, SSE, POPCNT. Vereinfacht gesagt besteht der Befehlssatz aus einzelnen Befehlen, über die eine Software Anweisungen an den Prozessor übergibt. Die Zeiten sind schon lange vorbei, als Prozessoren mit einer Folge von 1 und 0 versorgt wurden. Welche Befehlssätze nun z. B. Ihr Prozessor unterstützt sollte recherchiert werden. Die Software CPU-Z würde sich anbieten. Wird eine Engine in mehreren Versionen angeboten sollten Sie testen welcher Befehlssatz für den eingesetzten Prozessor schneller ist.

Auswirkung: ** - ***

Sehr schöne Äußerungen zu dem Thema gab Tord Romstad in einem Interview:
https://www.schach-welt.de/schach/computerschach/interviews/romstad-kiiski-costalba (deutsche Version)
https://www.schach-welt.de/schach/computerschach/interviews/romstad-kiiski-costalba-eng (englische Version)

09. 1-Core, 2-Cores, 4-Cores oder höher ...
Es ist bekannt, wie groß der Elo-Zuwachs durch 2 oder 4 Cores im Vergleich zu einem Core ist. Es kann interessant sein festzustellen, ob eine Engine im Vergleich zu einer anderen Engine besonders von der Mehrprozessorprogrammierung profitiert oder eher nicht. Allerdings kann das auch sehr einfach mit einer einzigen Stellung getestet werden. Es ist nicht notwendig die Engines hierfür tausende von Partien spielen zu lassen. 4, 8 oder 16-Cores sind natürlich für Analysezwecke interessant, allerdings nicht für eine Ratingliste. Eine Ratingliste hat die Aufgabe Engines zu vergleichen und hierfür sollten möglichst alle Engines unter den gleichen Voraussetzungen gegeneinander antreten. Jegliche unnötige Ressourcenverschwendung sollte schon allein aus Kostengründen vermieden werden. Engines mit mehreren Cores für den Zweck einer Ratingliste einzusetzen ist absolute Ressourcenverschwendung und absolut unnötig! Auch wenn immer wieder Personen aus der Community genau das gerne sehen. Genau dieser Personenkreis an Befürwortern würden wahrscheinlich selbst aus Kostengründen niemals genau das austesten.

Auswirkung: *

10. Benutzeroberflächen
Die Wahl der Benutzeroberfläche ist heute kein Thema mehr. Zumindest glaube ich nicht, dass hierdurch andere Ergebnisse bei Engine-Engine Turniere / Ratinglisten produziert werden.

Auswirkung: Sollte heute nicht mehr von Bedeutung sein! War aber mal ein echtes Thema, als diverse kommerzielle GUIs noch mit Adapterlösungen für Winboard kompatible Engines in Winboard Zeiten arbeiteten.

11. Anzahl der Partien
Die Anzahl der Partien ist ohne Frage sehr wichtig. Grundsätzlich gilt, je mehr Partien, desto höher die Aussagekraft einer ermittelten Elo. Es stellt sich nur die Frage, wie viele Partien maximal notwendig sind, um ein gesichertes Rating einer Engine zu bewirken. Die Computerschächler sind sich über diesem Tatbestand, meist aufgrund eigener Erfahrungen, bewusst. Sehr wichtig hierbei ist auch der Umstand: Je mehr unterschiedliche Engines eingesetzt werden und je höher die Spielstärke bzw. der Zeitfaktor ist, desto weniger Partien werden für aussagekräftige Ratings notwendig.

Für mich wird ein Rating ca. ab 1.000 Partien bei ca. 20 unterschiedliche Gegner interessant. Diese Aussage ist abhängig von den eigenen Ansprüchen. Bei 2.000 Partien, die z. B. mittels 40 Gegner und 50 Partien pro Match ermittelt werden, hinterfrage ich die Genauigkeit nicht mehr, da in den wenigsten Fällen noch Abweichungen von +-10 Elo möglich sind. Grundsätzlich möchte ich ermittelte Ratings als ultimativ sehen. Allerdings ist mir bewusst, wenn ich eine Engine mittels 2.000 Partien gegen 40 Gegner getestet habe, 40 andere Gegner unter Umständen andere Ergebnisse produzieren. Dahingehend habe ich schon sehr viele Experimente durchgeführt, die zu Abweichungen von +-20 (also 40 Elo) geführt haben. Sehr interessant ist ferner immer der Weg (der Weg zum Ziel) zu einem Endergebnis. Wer sich damit beschäftigt wird erzielte Ergebnisse aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Auch sind die Ansprüche naturgemäß unterschiedlich. Schachfreunde betrachten Ratings schon bei +-20 Elo als ausreichend. Programmierer wollen es logischer Weise meist sehr genau wissen und versuchen +-5 Elo bei den eigenen Test-Methoden zu erreichen.

Auswirkung: ****

12. Verlorene Partien auf Zeit
Solche Partien bzw. Engines die solche Partien produzieren werden aufgrund besserer Prüfung der Programmierer immer seltener. Dennoch werden Sie solche Partien in Ihren Datenbanken immer mal wiederfinden. Wiederholen Sie die Partien einfach. Für eine Ratingliste sind die Auswirkungen eher gering. Es sei denn das eine Engine unter einer Benutzeroberfläche wirklich Probleme hat und z. B. ständig auf Zeit verliert. Das sollten Sie natürlich beobachten und entsprechend reagieren bzw. natürlich auch selbst prüfen.

Auswirkung: *

13. Sonstige Software die im Hintergrund aktiv ist
Sie sollten Ihr System vernünftig konfigurieren. Vermeiden Sie zu viele aktive Programme / Prozesse. Sofern Sie sich mit Betriebssystemen ein wenig auskennen, sollten Sie alle unnötigen Prozesse (Start / Systemsteuerung / Verwaltung / Dienste) deaktivieren. Fakt ist, dass die Betriebssysteme stabiler und leistungsfähiger, aber auch hungriger werden.

Vorsicht:
Deaktivieren Sie notwendige Prozesse, wird Ihr Betriebssystem unter Umständen nicht mehr hochfahren! Vergewissern Sie sich, welche Prozesse deaktiviert werden. Zu dem Thema gibt es sehr gute Webseiten, einfach Googlen.

Eine mitlaufende Security-Software muss nicht aktiv sein, wenn Engine-Engine Partien laufen bzw. der Test-Rechner gar nicht mit dem Internet verbunden ist. Achten Sie darauf, dass ausreichend Arbeitsspeicher zur Verfügung steht. Überprüfen Sie bei Eng-Eng Vergleichen, ob noch Arbeitsspeicher frei ist. Halten Sie mindestens 25% vom Arbeitsspeicher bei laufenden Engine-Engine Matches frei.

Auswirkung: * - ***** (unbestimmt)

14. Betriebssysteme
Optimal sind heute ausschließlich 64-Bit Betriebssysteme. Auf einem 64-Bit Betriebssystem laufen 32-Bit Engines ca. 0.6% langsamer. Für Computerschach bevorzuge ich selbst Windows 10 Professional x64.

Auswirkung: Sollte heute nicht mehr von Bedeutung sein!

15. Elo-Berechnungssysteme
Mit Bayesian, Elostat oder Ordo stehen drei Programme für Elo-Berechnungen zur Verfügung. Persönlich befinde ich aufgrund zahlreicher Auswertungen alle für geeignet. Grundsätzlich denke ich, dass die Darstellung einer Spielstärke meines Erachtens besser geht, aber dafür müsste das Elo-System selbst überarbeitet werden. Ein echtes Thema, aber keiner traut es sich zu ... ein Genius wird kommen! Ferner fehlen gute Tools, um Statistiken zu erstellen. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Festzuhalten bleibt, dass eine Ratingliste auch leicht unterschiedliche Ergebnisse ausgibt, wenn unterschiedliche Berechnungsprogramme benutzt werden. Auch viele Benutzeroberflächen berechnen Ausgaben in Elo. Auch diese Berechnungen weichen geringfügig voneinander ab. Sie sollten sich informieren welche Elo-Berechnungssysteme eingesetzt wurden, wenn Sie Elo-Listen miteinander vergleichen möchten.

Auswirkung: **

16. Contempt Faktoren
Dieses Thema stand in den Jahren 2015-2016 verstärkt zur Diskussion. Mittels "Contempt" wird Remis vermieden oder forciert. Spielen zwei in der Spielstärke stark unterschiedliche Programme gegeneinander, kann das stärkere Programm mit einem positiven Contempt Remis vermeiden oder das schwächere Programm mit einem negativen Contempt Remis forcieren. Durchaus interessant für Wettkämpfe, wie z. B. Computerschach-Weltmeisterschaften. Bei Ratinglisten oder Engine-Turniere sollte der Contempt für alle auf 0 gesetzt werden. Es gibt Programmierer die Contempt Faktoren direkt und ohne mögliche UCI-Parameter in die Programm-Sourcen einarbeiten! Mithin können wir in solchen Fällen selbst auch nicht beeinflussend wirken. Wenn diese Programmierer dann allerdings dynamische oder intelligente Contempt Parameter nutzen oder entwickelten ist das eher spannend. Setzen wir z. B. für das stärkere Programm einen positiven Contempt und für das schwächere Programm einen negativen Contempt hat dies Auswirkungen auf den Partieverlauf bzw. natürlich auf die ausgespielten Züge. Diese Auswirkungen betrachte ich als äußerst "Negativ". Die künstliche Intelligenz wird "menschlich künstlich" beeinflusst?!

Auswirkung: ** - ***

17. Das Märchen vom Remis Tod
Bei steigenden Elo-Zahlen steigt die Remis Quote unspektakulär an. Eine Gruppe von Spieler mit ca. 2000 Elo wird weniger Remis Partien produzieren als eine Gruppe von 2500 Elo starken Schachspielern. Eine _geringere_ Spielstärke bedeutet nichts anderes, als das Partien mit mehr Fehlern gespielt werden. Bei niedrigen Spielstärken werden die Fehler schneller offensichtlicher und mithin bilden sich weniger Remis-Partien. Beim Computerschach kann, das sehr schön simuliert werden. Spielen zwei unterschiedliche Engines bei Suchtiefe 2 gegeneinander, wird die Remis Quote niedriger sein, als wenn eine höhere Suchtiefe verwendet wird. Ganz nach dem pauschalen Motto: "Je höher die Suchtiefe, desto höher die Elo". Es lässt sich schnell ein Faktor aus "Suchtiefe x = Remis Quote y" ermitteln.

Aus eigener Erfahrung heraus:
- Spieler oder Engines mit ca. gleicher Spielstärke produzieren eine höhere Remis Quote.
- Engines mit gleichen Stärken und Schwächen produzieren eine deutlich höhere Remis Quote (Engines müssen bei der Betrachtungsweise nicht zwangsläufig geklont sein).
- Engines mit den maßgeblichen gleichen Programminhalten produzieren eine sehr hohe, gigantisch anmutende, Remis Quote (z. B. spielt Wasp 3.75 - Wasp 4.00).

Heute liegen die Sourcen spielstärkster Schachsoftware offen. Ein gefundenes Fressen für die vielen experimentierfreudigen Anwender, die sich dann aber meist über sehr hohe Remis Quoten wundern, gar ärgern. Mit der Zeit verlieren Tester dann die Lust aufs Testen, wenn Stockfish x gegen Stockfish y für eine Remis Quote von 90% sorgt.

Selbst sehe ich keinen Remis Tod im Computerschach, es sein denn ich produziere den "Remis Tod" hausgemacht selbst.

 

Dieses Dokument habe ich vor ca. 20 Jahren zur ATL-4 (Arena Tourney League) erstellt und wurde
in den letzten Jahren mehrfach überarbeitet, neue Erkenntnisse sind eingeflossen.